„Research Trek – Aufbruch in ein unbekanntes Wissenschaftssystem“

Für die Beitragsserie „Forschung vordenken für 2035“ in den table.briefings research skizzierte ich meine Vision für die wissenschaftspolitische Welt der Zukunft in Form der fiktiven TV-Serie „Research Trek“ – und lieferte die Rezension gleich mit.

Die biomedizinische Wissenschaft – grenzenlose Möglichkeiten. Wir schreiben das Jahr 2035. Dies sind die Abenteuer der akademischen Forschung, die mit ihrer interdisziplinären Crew aufbricht, die Geheimnisse des Lebens zu entschlüsseln – Krankheitsmechanismen zu verstehen, neue Diagnosen und Therapien zu entwickeln. Tief im Innersten des menschlichen Körpers und weit in den digitalen Raum hinein dringt sie vor – in molekulare Welten, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Research Trek erzählt die Geschichte einer fiktiven Zeitreise, bei der Wissenschaftler:innen und Administrator:innen das alte Mantra „Durch Forschung gesünder, zufriedener, länger leben“ zum Leben erwecken. Die Serie beginnt, wenig überraschend, im Jahr 2025 – im dämmernden Licht geopolitischer Krisen, mit besorgniserregenden Rückschritten in Sachen Wissenschaftsfreiheit und dem politischen Siegeszug der Anti-Aufklärung in USA.

In Staffel 1 – „Publish or Perish“ – steht das Wissenschaftssystem kurz vor dem Kollaps. Reproduzierbarkeit und Transparenz werden zu Streitpunkten in einem zunehmend selbstkritischen Diskurs. Junge Forschende kehren der Forschung enttäuscht den Rücken, während Metawissenschaftler:innen das System durchleuchten – auf der Suche nach konkreten Hebeln für Veränderung.

Staffel 2: „MetaLab Revolution in the Ivory Tower –Die Experimente mit dem System nehmen Fahrt auf: Präregistrierung, Data Sharing, Team Science, Interdisziplinarität, Open Science, Losverfahren in der Forschungsförderung, offenes Peer Review und mehr werden in kontrollierten Interventionen erprobt – mit dem Ergebnis: machbar und wirksam. Während sich das akademische Haltbarkeitsdatum der Boomer-Generation dem Ende neigt, kommt Bewegung in die Machtstrukturen: Die Karrierepyramide wird zum Trapez – weniger Patriarchen an der Spitze, dafür ein robuster Mittelbau mit Dauerstellen. Berufungsverfahren richten sich plötzlich nicht mehr nur nach Zitationsmetriken und Drittmittelakquise, sondern auch nach Inhalt, Originalität, Robustheit und Relevanz der Forschung. Eine ungewohnte, fast utopische Atmosphäre macht sich breit.

Staffel 3: „Matthäus Must Fall“ handelt vom Fall eines Prinzips, das lange dafür sorgte, dass diejenigen, die schon viel hatten, immer mehr bekamen. Höhepunkt: eine klandestin durchgeführte Evaluation der Exzellenzinitiative – organisiert von mutigen DFG-Administrator:innen, ohne Wissen des eigenen Senats. Das Ergebnis: ein ernüchterndes Fazit – viel Aufwand für wenig Innovation. Und das eigentliche Problem, die Unterfinanzierung der Hochschulen, hat die Exzellenzinitiative nur verschleiert.  Nicht überraschend endet die Staffel mit der Entlarvung des „Exzellenz“-Begriffs, bloßgestellt als leerer Signifikant, dessen semantische Hülle längst verdunstet ist: ein rückwärtsgewandtes soziales Konstrukt zur Verteilung von Forschungsgeldern, das uns mehr über diejenigen sagt, welche die Auswahl treffen als über die bewertete Forschung.

Staffel 4: „Denkschrift reloaded“ lässt große Visionen aufleben. Nationale und europäische Wissenschaftsorganisationen kramen ihre alten Denkschriften, Manifeste und Reformpapiere hervor – scheinbar vergessen, aber nie widerrufen. Man spricht plötzlich wieder über offene Wissenschaft, faire Bewertungssysteme, gesellschaftliche Teilhabe. Und ja, auch wie es überhaupt so weit kommen konnte. Wegen der dramatischen Zunahme wissenschaftlicher Outputs und der verschärften Konkurrenz hatte die Wissenschaft ein süßes Gift geschluckt: die vermeintlich gerechte und einfache Steuerung wissenschaftlicher Karrieren durch die Quantifizierung von Forschungsleistung – gemessen an Impact Factor und Drittmitteleinwerbung. Über Jahrzehnte hinweg wurden Wissenschaftler:innen durch diese Logik sozialisiert und assimiliert, Metriken wurden wichtiger als Inhalt oder Qualität von Forschung.

Staffel 5: „The Dark Force Returns“. Die kommerziellen Großverlage schlagen zurück, versuchen ein letztes Mal, die Wissenschaftler:innen für ihre eigenen Leistungen zahlen zu lassen, und den Journal Impact Factor wieder als Währung der akademischen Reputationsökonomie einzuführen. Doch im dramatischen Staffelfinale gelingt es einem geläuterten DEAL-Konsortium, sämtliche Verträge mit den Oligopolen zu kündigen – und die freigewordenen Millionen in eine offene, von Forschenden selbst kuratierte Publikationsinfrastruktur zu investieren.

Staffel 6: „The Endless Frontier“. Als die Fesseln des alten Reputationssystems fallen, gelingt Wissenschaftler:innen der entscheidende Schritt: Sie knacken die biologischen Mechanismen hinter komplexen Krankheiten. Im beeindruckenden Finale entwickelt ein globales Forschungsbündnis eine Therapie, mit derdie sich Alzheimer’sche Erkrankung heilen lässt.

Fazit: Die Serie ist spannend, realitätsnah und erkenntnisreich. Ihre Botschaft kommt unterhaltsam, aber klar zur Geltung: Ein Kulturwandel in der Wissenschaft ist möglich. Doch sie zeigt auch, dass der Wandel aus dem System selbst heraus entstehen muss – von den Forschenden, den Förderinstitutionen, den Universitäten. Und er steht und fällt mit einer zentralen Frage: Wie definieren, belohnen und ermöglichen wir wissenschaftliche Leistung?

Dieser Beitrag erschien zuerst in den tablebriefings research am 11.6.2025

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